Legal Startups in Deutschland – ein Überblick

Legal Startups in Deutschland – ein Überblick

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Die digitale Revolution ist in vollem Gange. Die Berufsgruppe der Rechtsanwälte gilt zwar als nicht übermäßig technikaffin, doch ein wachsender Teil zeigt sich offen für die Herausforderungen, die die Digitalisierung des Rechtswesens mit sich bringt. Und mehr noch: Die Tatsache, dass die Branche auf technische Neuerungen eher verhalten reagiert, hat wiederum das Wachstum eines neuen Zweigs befeuert: Legal Tech. Legal Tech (die Kurzform von Legal Technology) steht für IT-Produkte wie etwa Software oder Online-Dienste, die Rechtsdienstleistungen und juristische Arbeitsprozesse unterstützen, in finanzieller und zeitlicher Hinsicht deutlich optimieren oder deren Automatisierung ermöglichen.

Die Szene wächst

Noch vor 3-4 Jahren, als es erste Treffen von Legal-Tech-Interessenten gab, fanden sich vielleicht 8-10 Leute in einer zur Firmenzentrale umfunktionierten Berliner Wohnung bei einem Bierchen zusammen und diskutierten über eine rosige Zukunft. Und sie sollten (buchstäblich) Recht behalten. Im Jahre 2018 ist Legal Tech ein feststehender Begriff unter den Startup-Szene-buzzwords in Berlin, Hamburg und Frankfurt. Entsprechende Veranstaltungen wie etwa der Anwaltszukunftskongress, die Berlin Legal Tech oder die Legal Transformation Days finden großen Anklang bei einem breiten Spektrum von Interessierten: vom studentischen Solopreneur, der selbst programmiert, über den ambitionierten Einzelanwalt, der den Puls der Zeit spürt, bis hin zum Partner einer Großkanzlei, der bereit ist, neue Wege zu gehen. Selbst der Anwaltstag 2017 stand gänzlich unter dem Motto “Innovationen und Legal Tech”.

Anwendungsgebiete von Legal Tech

In Deutschland gibt es bereits mehr als 150 Legal Tech-Firmen. Ihre Zielgruppe reicht von Privatpersonen und Jurastudenten über Unternehmen bis hin zu Kanzleien und Verwaltung. Optimierungsbedarf hat schließlich jeder. Die Geschäftsfelder lassen sich weitestgehend in zwei Bereiche einteilen:

a) Erstellung neuer Software-Lösungen für Kanzleien, Unternehmen und Verwaltung

  • Juristische Datenbanken sind aus der täglichen Arbeit schon seit über 10 Jahren nicht mehr wegzudenken.
  • Digitale Dokumentenanalyse ist ein weiteres, höchst effektives Hilfsmittel zur Unterstützung anwaltlicher Arbeit, etwa bei der Auswertung großer Datenbestände oder der intelligenten Durchsuchung umfassender Vertragsunterlagen.
  • Die automatisierte Erstellung von Rechtsdokumenten, die in weiten Teilen gewissen Standards entsprechen, wie etwa AGBs, Testamente, Mietverträge oder Patientenverfügungen.
  • Verwaltung elektronischer Kundenakten und Implementierung automatisierter Prozesse (z.B. Spracherkennung)

b) Bereitstellung von Rechtsprodukten bzw. -marktplätzen für Verbraucher

  • Juristische Expertenportale
  • Automatisierte Rechtsberatung und automatisierte Bearbeitung von häufig auftretenden Fallkonstellationen. Oft ist dies mit einer kostenlosen Ersteinschätzung und dem Angebot von Rechtsprodukten zu Festpreisen verbunden, was eine hohe Kostentransparenz im bislang für den Verbraucher eher undurchsichtigen Dschungel der Anwaltsgebühren bietet. Hier etablierten sich in den letzten Jahren Firmen wie Flightright (Entschädigungen für Flugverspätungen) oder Services wie Geblitzt.de (Prüfung von Bußgeldbescheiden). Mittlerweile gibt es weitere Modelle ähnlicher Art, z.B. hinsichtlich der Prüfung von Hartz-IV-Bescheiden oder Bahn-Verspätungen.

Der Fortschritt ist da, doch Skepsis bleibt

So praktikabel und zukunftsweisend dieser Bereich auch klingt, die von Wolters Kluwer Deutschland und CLI durchgeführte Studie “Legal Technology 2018” brachte teils ernüchternde Erkenntnisse zutage. Ein Großteil der Rechtsabteilungen deutscher Unternehmen hält Legal Tech durchaus für notwendig und nutzt z.B. schon juristische Datenbanken. An einer Strategie für die darüber hinausgehende Digitalisierung von Arbeitsprozessen fehlt es jedoch. Die umfangreiche Investition in Software und Hardware sowie die in diesem Zusammenhang erforderliche Schulung der Mitarbeiter wird noch gescheut. Es heißt in vielen Chefetagen, man wolle die Entwicklung erst noch weiter beobachten, bevor man sich zu derart einschneidenden Schritten entschließt.

Legal Tech – ein Fazit

Die Chancen liegen auf der Hand: Zeit und Kosten werden gespart und zugleich besserer Service geboten. Der technische Fortschritt ist nicht aufzuhalten. Man sollte sich früh offen zeigen, denn die Konkurrenz kommt nicht unbedingt direkt von den Legal Tech Startups, die sich meist eigene Nischen erschlossen haben. Es sind vor allem die etablierten Kanzleien, die neuartige Software und ihre vielfältigen Möglichkeiten nutzen, um ihr Kerngeschäft zu optimieren und sich zugleich frühen Zugang zu neuen juristischen Geschäftsmodellen zu sichern.

Für die Skeptiker unter Ihnen: Prozessoptimierung muss nicht gleich die Kernkompetenz des Anwalts betreffen und erfordert insbesondere nicht zwangsläufig die Investition in Hightech. Ein erster Schritt könnte bereits im Outsourcing von Sekretariatsaufgaben liegen.

Legal Tribune online listet regelmäßig die bekanntesten Unternehmen auf einer Legal Tech-Landkarte auf. Sie wächst und wächst…