Neue und wiederentdeckte Gedanken zum Thema Ziele
- Selbstmanagement
- Weiterbildung
Ein geistreicher Artikel der kürzlich im Magazin brandeins erschien, hat meine Sicht auf das Thema „Ziele“ verändert. Was bei einem solchen vermeintlich gut erforschten Thema, das jeden zumindest persönlich, Unternehmer, Freiberufler und Führungskräfte aber auch in besonderem Maße beruflich betrifft, gar nicht so einfach ist. Deshalb dieser Artikel, der ja vielleicht auch Ihre Sichtweise verändert und/oder Sie veranlasst, Ihre Meinung in einem Kommentar darzulegen und eine Diskussion anzustoßen, die vielleicht schon längst überfällig ist.
Ziele sind beweglich. Sobald wir eines erreicht haben, entwickelt sich ein neues Ziel. So ist es jedenfalls meistens. Im kleinen Rahmen ist das einfach und einleuchtend: Wir strengen uns an, um den Schulabschluss zu schaffen. Haben wir z.B. das Abitur in der Tasche, streben wir einen Beruf an und kämpfen uns z.B. durch ein Studium, um dieses neue Ziel zu erreichen.
Wenn es aber um die großen, übergeordneten Ziele unserer Konsumgesellschaft geht, wird es komplizierter.
Die alten Ziele wie Wohlstand, Sicherheit oder eine lange Lebenserwartung stellen uns nicht mehr zufrieden. Sie sind im Grunde erreicht und es ist nicht sofort klar, was an ihre Stelle treten soll. Diese Ziellosigkeit mehrt das Gefühl, wir würden auf der Stelle treten, die Gesellschaft, die Unternehmen, der Einzelne hätten keine Ziele mehr. Es scheint, als würden wir uns auf unserem Wohlstand ausruhen, Dienst nach Vorschrift erledigen, für nichts mehr wirklich brennen.
Heute hört man oft den Begriff „Sinnkrise“, der eigentlich eine Zielkrise beschreibt. Warum tun wir, was wir tun? Eine Art „Luxus-Krise“ deren Ursache in den Erfolgen von gestern liegt. Wir haben viele Ziele erreicht und fühlen uns unbehaglich in dieser Situation, in der anscheinend keine neuen großen Ziele vorhanden sind.
Wenn eine Gesellschaft mit Hunger, Krankheit, Krieg und Armut kämpft, ist es nicht schwer, sich auf gemeinsame Ziele zu einigen und in diesem vereinten Kampf um die Zielerreichung ein sinnstiftendes Zusammengehörigkeitsgefühl zu entwickeln. Dieses Gefühl entspringt dann im Grunde einfach dem Teilen einer Notsituation. Die Verbesserung der Welt und die Beseitigung von Mangel und Not geben dem Leben Sinn, sind zumindest im Westen aber kaum noch ein Thema. Und wir sollten froh sein, dass wir diese Zeiten, zumindest für den Moment, hinter uns gelassen haben.
Doch wie findet man neue Ziele, wenn die alten uns nicht mehr bewegen und zum Großteil erreicht sind? Vielleicht indem man sich all der Probleme (der ursprünglichen Wortbedeutung nach Definition Problem vergegenwärtigt, die die Welt noch nicht gelöst hat. Der Kampf gegen den Hunger, der steigende Weltenergiebedarf, der Klimawandel, unheilbare Krankheiten… die Liste ist lang und mit dieser Betrachtungsweise dürften uns die Ziele nicht so bald ausgehen.
Warum also leiden wir unter einer „Sinnkrise“, wenn es doch so viele Ziele zu erreichen gilt?
Die althergebrachte Definition von „Ziel“ beschreibt einen Zustand in der Zukunft, dessen Erreichung man nur akribisch planen und systematisch verfolgen muss.
Seit Jahrhunderten ist unsere Kultur von dieser Zieldefinition geprägt. Man nimmt sich etwas vor, plant, steuert und kontrolliert jeden Schritt und kommt dann am Ende schon an. Die Zielerreichung ist eine Frage der Technik und der Planung.
Was diese Herangehensweise außer Acht lässt, ist die Frage nach der Motivation und Begeisterung, die ein Ziel auslösen muss, um wirklich als Mittel gegen die „Sinnkrise“ des Einzelnen wirksam zu sein. Man müsste die Menschen auf ein gemeinsames Ziel einschwören und dafür sorgen, dass sie gern an der Zielerreichung arbeiten. Sie brauchen ein Leitbild, wie das was John F. Kennedy seiner Zeit mit dem Ziel der ersten Landung auf dem Mond heraufbeschwor. Die Rahmenbedingungen waren alles andere als günstig, die Menschen frustriert und voller Misstrauen gegenüber der Leistungsfähigkeit ihrer Gesellschaft, besonders in Bezug auf die Raumfahrt, in der die Russen die Nase deutlich vorn zu haben schienen.
Dieses Leitbild versetzte Berge und brachte die Amerikaner bis zum Mond und zurück. Könnten wir dieses Prinzip des kollektiven Leitbildes nicht auch auf moderne Probleme wie Hunger oder Klimawandel übertragen und damit die Zielkrise beenden?
Sicher nicht, meint Armin Nassehi, Soziologieprofessor in München, weil unsere Gesellschaft nicht mehr von der kollektiven Einschwörung lebt, sondern von Individualität und Unterschiedlichkeit. Wir erleben eine Sinnkrise, weil uns das kollektive Ziel fehlt, andererseits haben wir uns zu einer Gesellschaft entwickelt, in der Individualismus quasi über allem steht, nicht der Wunsch danach, das gleiche zu tun oder zu denken wie die Mitmenschen. Ein kaum aufzulösender Zwiespalt, der zu einer Unmenge an Zielkonflikten á la „Ökostrom ja, Hochspannungsleitungen nein“ führt.
Es gibt kein gemeinsames Ziel mehr, sondern viele individuelle. Wer das lernt, wird sich auch bald nicht mehr in der Sinnkrise wähnen. Wir müssen lernen, uns eigene Ziele zu setzen und diese zu verfolgen. Wir müssen erkennen, dass es viele Ziele gibt und dass diese für uns wertvoller sein können als das Einschwören auf das eine große gemeinsame Ziel.
Die Instrumentaltheorie, die zugegebenermaßen schon einige Jahre auf dem Buckel hat, bietet hier einen sinnvollen Ansatzpunkt. Demnach brauchen Organisationen kein großes, edles, alle vereinendes Ziel. Sie leben davon, dass die Mitarbeiter ihre individuellen Ziele kennen und verfolgen. Davon hätte am Ende die gesamte Organisation am meisten.
Der Vorschlag also: Wir sollten die althergebrachte Vorstellung von Zielen und Sinn an unsere modernen gesellschaftlichen Gegebenheiten anpassen und ein Leitbild schaffen, in dem Ziele nun mal nicht durch Nöte und Probleme entstehen sondern durch freie Entscheidung des Einzelnen. Das klingt doch nicht schlecht, oder?