Kritik will gelernt sein

Kritik will gelernt sein

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Kritik will gelernt sein oder “Die Ampel ist grün!”: Die Überschrift betont, was uns allen nicht ganz leichtfällt: Kritik will gelernt sein. Doch bevor man sich auf das Glatteis begibt, einen anderen zu kritisieren, sollte man gedanklich noch einen Schritt zurück gehen: nicht nur Kritik will gelernt sein, sondern Kommunikation an sich. Besonders Anwälte und Mediatoren müssen dies stets im Hinterkopf behalten.

Ein Satz, vier Botschaften

Falls Sie sich mal – im gymnasialen Deutsch-Leistungskurs oder später – intensiver mit dem Thema Kommunikation beschäftigt haben, wird Ihnen dieser Satz bekannt vorkommen: “Die Ampel ist grün!” Es ist einer der ersten Sätze im bekannten Buch “Miteinander reden” von Friedemann Schulz von Thun und Kernaussage in einem Beispiel zum sogenannten “Vier-Seiten-Modell”. Nach diesem Modell enthält jede Äußerung, die Sie tätigen, vier Botschaften:

 

  1. eine Sachinformation:

    Auf der Sachebene einer Unterhaltung geht es ausschließlich um Informationen. Dabei finden folgende drei Punkte Berücksichtigung: Wahrheit, Relevanz und ob die Sachinformationen ausreichend sind oder ergänzt werden müssen. Es gilt, sich glasklar und deutlich mitzuteilen. Der Empfänger reagiert dementsprechend.

  2. eine Selbstoffenbarung:

    Für die Selbstoffenbarung gilt: Wer etwas sagt, gibt auch etwas Eigenes preis. Ob bewusst oder unbewusst, direkt oder indirekt: jede Aussage offenbart einen kleinen Blick in die Persönlichkeit des Senders. Seine Werte, Ansichten, Gefühle und Bedürfnisse. Der Empfänger versucht, sich darauf einzustimmen und herauszuhören, wie der Sprecher gestimmt oder einzuordnen ist.

  3. einen Beziehungshinweis:

    Auf der Beziehungsebene zeigt der Sprecher, wie er zum Gegenüber steht und was er von ihm hält. Die Nuancen finden sich in einer Gemengelage von Wortwahl, Tonlage, Gesichtsausdruck und Gesten. Damit korreliert, ob das Gegenüber – der Empfänger – Wertschätzung oder Ablehnung, Respekt oder Demütigung empfindet.

  4. einen Appell:

    Eine direkte Beeinflussung des Empfängers soll schließlich durch den Appell erfolgen. Wer eine Äußerung tätigt, möchte meist auch etwas Konkretes bewirken. Der Empfänger fragt sich dementsprechend, was er nun (nicht) tun, denken oder fühlen soll.

 

Ein Beispiel:

Tennisclub Rotherbaum, Samstagnachmittag, 28 Grad. Karl und sein Sohn Thomas spielen eine Partie Tennis. Karl gewinnt. Beim Gang vom Platz sagt Karl zu Thomas: “Na, Du bist ja ordentlich ins Schwitzen gekommen!”

Karl meint damit:

Sachebene: Ich habe gesehen, dass Dein Körper angestrengt ist.
Selbstoffenbarung: Ich beobachte Dich.
Beziehung: Ich sorge mich um Dich.
Appell: Achte auf Deine körperlichen Grenzen.

Thomas versteht:

Sachebene: Ich bin Dir im Tennis überlegen.
Selbstoffenbarung: Ich sehe Dich nicht als ebenbürtig an.
Beziehung: Du hast keine gute Figur auf dem Platz abgegeben.
Appell: Trainiere mehr!

Thomas erwidert daraufhin: “Wenn Du Dich beim Spiel mit mir langweilst, dann sollten wir es zukünftig lassen.”

Was sagt uns das?

Genau: dass Kommunikation Missverständnissen unterliegt, ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Eine Aussage mag harmlos gemeint sein, doch der Empfänger kann sie als Bevormundung oder Kritik auffassen, wenn er die Ebenen anders gewichtet.

Bedürfnis, Aktion und Reaktion

Wenn Menschen zusammentreffen und miteinander interagieren, folgt eine Art “Tanz” von Aktion und Reaktion. Person A sagt etwas, das in Person B ein Gefühl erzeugt. Daraufhin sagt Person B etwas Entsprechendes. Dies erzeugt wiederum in Person A ein Gefühl, worauf diese entsprechend handelt. Und so weiter. Diese Dynamik kann sich im negativen Falle zu einer Art Teufelskreis entwickeln (Watzlawik: Die Frau schimpft, weil der Mann abends weggeht. Der Mann geht abends weg, weil die Frau so oft schimpft…) Doch nicht nur zwischen den Menschen gibt es unterschiedliche Ansichten, sondern auch innerhalb eines Menschen. Wir haben nicht immer nur eine innere Stimme, die zu uns spricht, sondern verschiedene. Sie bilden gemeinsam das sogenannte “Innere Team”. Jeder von uns kennt es zum Beispiel, wenn es einen Zwiespalt zwischen Kopf und Herz gibt. Das sind schon zwei Stimmen. Dann kommt vielleicht noch die Angst oder der Instinkt hinzu, die uns wiederum andere Wege einflüstern. Dies kann anstrengend sein, beinhaltet aber mit den Jahren auch das, was man Weisheit (oder jedenfalls Erfahrung) nennt. Diese inneren Konflikte führen letztlich dazu, dass wir in schwierigen Fragen das Für und Wider verschiedener Möglichkeiten abwägen und dadurch eine am Ende – hoffentlich – richtige (nicht unbedingt vernünftige!) Entscheidung fällen. Dies setzt voraus, dass wir den für die jeweilige Frage “passenden” Stimmen genug Gehör schenken.

Menschen haben im Wesentlichen das Bedürfnis nach

  • Nähe (zwischenmenschlicher Kontakt, Harmonie)
  • Distanz (Unabhängigkeit, Ruhe, Individualität)
  • Dauer (Ordnung, Regelmäßigkeit, Kontrolle)
  • Wechsel (Abwechslung, Spontanität, Kreativität)

Hiervon sind meist nur zwei aktiv, die dann auch unterschiedlich ausgeprägt sind und die Unterschiede zwischen den Menschen – ihre jeweilige Persönlichkeit – verdeutlichen. Dies zeigt sich einerseits z.B. in unterschiedlicher Lebensweise, aber auch darin, wie jemand mit Krisen umgeht, welche Bedürfnisse er hat oder welche Werte ihm besonders am Herzen liegen.

Konflikt: Attacke oder Rückzug?

In Konflikten zeigen sich meist zwei Gruppen von Menschen: Konfliktscheue und Streitlustige. Erstere befürchten, durch emotionales Verhalten aggressiv zu wirken. Sie wollen andere Menschen nicht verletzen. Dies führt jedoch zur Unterdrückung der eigenen Gefühle und zu Rückzug. Streitlustige hingegen wollen partout nicht als schwach oder unsicher gelten. Rückzug ist für sie daher keine Option, im Gegenteil. Sie nehmen auch emotionale Verletzungen beim Gegenüber in Kauf.

Doch wie kann man Kritik an jemandem üben, ohne ihn damit zu verletzen?

Das ist natürlich das Hochreck der Kommunikation. Es ist allein schon deshalb schwierig, weil wir Menschen so unterschiedlich sind und auch eher selten prognostizieren können, wie Jemand auf eine Äußerung reagiert. Ein Klassiker ist es, zu vermeiden, den Anderen negativ zu bewerten (“Du bist…”) oder etwas von ihm zu fordern (“Du solltest…”). Stattdessen bleibt man bei sich und kommuniziert, was das Verhalten des Gegenübers mit Einem macht (“Ich fühle mich…”). Dies signalisiert das Bewusstsein einer Mitverantwortung für die Situation und Offenheit, eine Lösung zu finden.

Und wie so oft: der Ton macht die Musik. Manch Einer empfindet bereits eine gewisse Lautstärke im Konflikt als aggressiv, respektlos und damit abwertend. Die Folge ist, dass die Sachebene verlassen wird und derjenige nur noch überlegt, wie er sich persönlich verteidigen kann. Von einem Gespräch mit dem Ziel, das Gegenüber – mit Sachargumenten – zu überzeugen, kann dann jedoch nicht mehr die Rede sein. Sie sehen: Kommunikation ist ein ziemlich komplexes Thema. Gerade als Jurist sollte man sich dessen bewusst sein, denn das Wort ist schließlich unser Handwerkszeug.

 

Jetzt heißt es erstmal: Tief durchatmen und entspannen. Passend dazu: Die Top 8 Möglichkeiten des entspannten Networkings.