Der Diplom-Jurist – das unbekannte Wesen
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- Weiterbildung
Sie lernen und lernen und lernen. Ähnlich wie den angehenden Medizinern kann man auch den Studenten der Jurisprudenz nicht vorwerfen, ein faules Studentenleben zu führen. Klausuren und Hausarbeiten durchziehen die Semester. Bis in die Puppen sitzen sie in den Bibliotheken, denn am Ende wartet noch die eigentliche Hürde: das Erste Juristische Staatsexamen. Wo sich in anderen Studiengängen gefreut wird, wenn man die finale Prüfung abgelegt hat, geht es in der klassischen Juristenausbildung aber noch munter weiter: Auf dem Weg zum Volljuristen folgen auf das bestandene Erste Staatsexamen noch das zweijährige Referendariat und – Grande Finale! – das Zweite Staatsexamen.
17% Durchfallquote
Die Statistiken der Prüfungsämter bringen über das Zweite Staatsexamen Interessantes zu Tage, z.B. in Beispiel Nordrhein-Westfalen 2016/2017: Die Durchfallquote liegt hier bei etwa 17%. Notenmäßig bewegen sich die Kandidaten mit bestandener Prüfung größtenteils im Bereich “befriedigend” (um 34%) und “ausreichend” (ca. 29%). Über die Hälfte (56%) der Prüflinge ist weiblich und über 80% der Referendare bewegt sich im Alterssegment zwischen 27 und 30 Jahren. Letztlich entscheidet beim 2. Staatsexamen die Leistung, die man innerhalb der zwei Wochen Prüfungszeit auf den Punkt abrufen kann. Man muss alles wissen und anwenden können, was man innerhalb des Studiums und während des Referendariats gelernt hat. Alles wird innerhalb von zwei Wochen in acht Klausuren à 5 Stunden abgefragt. Die – insbesondere im Vergleich zu anderen Studiengängen – vergleichsweise hohe Durchfallquote verwundert da nicht.
Jura ist nicht alles
Doch auch bereits mit bestandenem Erstem Staatsexamen hat man eine solide Grundausbildung genossen, ein Studium beendet und kann einen Abschluss mit entsprechenden skills vorweisen. Bei der allgegenwärtigen Versessenheit auf Zeugnisse, Noten und Abschlüsse sollte man nicht vergessen, dass es durchaus auch Menschen gibt, die während des Jurastudiums merken, dass sie die juristische Ausbildung nicht bis zum – ggf. bitteren – Ende fortsetzen, sondern sich z.B. nach dem Examen umorientieren möchten. Selbst wenn sie an der juristischen Karriere nicht mehr festhalten, macht es für sie dennoch durchaus Sinn, das Studium noch bis zum Absolvieren des Ersten Staatsexamens durchzuziehen, um eben einen soliden Abschluss vorweisen zu können. Anderenfalls, bei Abbruch des Studiums, wären sie ja im Lebenslauf quasi auf das Abitur “zurückgeworfen”.
Wozu ein Diplom?
In einigen Bundesländern, z.B. in Hamburg oder Berlin, gibt es seit weit über 10 Jahren die Möglichkeit, sich durch Vorlage der Examensurkunde von der jeweiligen juristischen Fakultät zusätzlich ein universitäres Diplom ausstellen zu lassen. Dies dient vorrangig eben jenen Kandidaten, die – entweder freiwillig oder unfreiwillig – kein Zweites Staatsexamen haben, sich dementsprechend nicht Volljuristen oder Assessoren nennen können, dennoch aber einen bewerbungstauglichen Abschluss vorweisen möchten.
Personaler differenzieren allerdings diesbezüglich in der Regel nicht, da das Wissen hinsichtlich der juristischen Ausbildung und dem, was jemand zu einem bestimmten Zeitpunkt bzw. mit einem bestimmten Abschluss fachlich mitbringt, kaum vorhanden ist. Diplom-Juristen – das sind für sie vorrangig solche, die nach dem Ersten Staatsexamen direkt aufgehört und kein Referendariat absolviert haben, oder eben jene, die auf ihren Referendariatsplatz warten. Dass es zum Beispiel eben auch jene sind, die das Referendariat durchaus absolviert, jedoch nur das Zweite Staatsexamen nicht bestanden haben, ist ihnen meist nicht bewusst.
Der öffentliche Dienst entdeckt aber langsam die Qualität und auch Einsatzmöglichkeiten für Diplom-Juristen mit Erstem Staatsexamen, die u.a. über Kenntnisse in Rechtsanwendung und -auslegung in der öffentlichen Verwaltung verfügen und mit komplexen Sachverhalten sicher umgehen können. Jenen, die auf ihren Referendariatsplatz warten, wurden in Berlin sogar erstmals aktiv von der Verwaltung Jobs angeboten, weil dort so ein Personalmangel herrscht und da jedes Jahr auf’s Neue ein kleines Heer von Juristen in der ausbildungstechnischen Schwebe hängt.
Nach der Wende war der Begriff Diplom-Jurist übrigens in einigen Kreisen eher ein Schimpfwort, da die Absolventen eines rechtswissenschaftlichen Studiums in der DDR diesen Titel führten. So richtig etabliert hat er sich in Deutschland auch noch immer nicht, aber es bleibt zu hoffen, dass der Bekanntheitsgrad weiter steigt und der Umgang von Personalern mit Bewerbungen von Menschen mit Erstem Juristischen Staatsexamen als finalem Abschluss differenzierter vorgenommen wird.