Burnout bei Rechtsanwälten
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Burnout ist in Anwaltskreisen ein großes Problem. Ein Problem, das jedoch nicht thematisiert wird. Dass Burnout so verbreitet ist, liegt zum einen an der perfektionistischen Anwaltspersönlichkeit an sich, zum anderen am stressreichen Umfeld, das einen permanent hohen Druck ausübt.
Es gilt, schneller, günstiger und dabei noch besser als die Mitbewerber zu sein. Der Druck kommt somit von zwei Seiten, von innen wie von außen.
Gefangen im Hamsterrad
Sie verlassen abends nicht vor 20 Uhr das Büro. Manchmal an sechs von sieben Tagen die Woche. Neben der Tastatur liegt das Handy, das mehrmals die Stunde summt, klingelt oder piept. Das Abendessen wird nebenbei verschlungen, während Sie gebannt auf den Monitor blicken. Allein. Würde man Sie zwei Stunden später fragen, was Sie heute gegessen haben, Sie könnten sich nicht mehr daran erinnern. Sie haben es heruntergeschlungen und geschmeckt haben Sie eigentlich gar nichts. Für Genuss blieb keine Zeit. Es muss weitergehen, immer weiter. Der Schriftsatz zieht sich, die Frist drängt. Zu später Stunde verlassen Sie wie ferngesteuert das Büro. Sobald Sie in der Tiefgarage in Ihren Wagen gestiegen sind, summt Ihr Telefon. Um diese Uhrzeit? Kurzes Herzklopfen. Ist es der Chef? Oder lief bei einem wichtigen Mandanten etwas schief? Natürlich checken Sie sofort die Nachricht, denn Sie sind immer erreichbar. 24/7. Voller Einsatz.
60-80 Stunden pro Woche. Ihre Arbeitszeiten nehmen immer extremere Ausmaße an. Das sagt nicht nur Ihre Frau. Das sagt auch Ihr bester Kumpel und das suggeriert Ihnen Ihr Kind. Aber hey, was wissen die schon! Ihre Freunde haben Sie wochenlang (vielleicht monatelang) nicht gesehen, den Anrufen Ihrer Eltern gehen Sie aus dem Weg und im Stillen hoffen Sie auch, dass die Kinder schon schlafen, wenn Sie nach Hause kommen. Der Anwaltsberuf ist nun mal kein Zuckerschlecken. Morgens aufzustehen fällt zunehmend schwerer, denn von ausgeruhtem Aufwachen kann keine Rede sein. Aber das ist nun mal so. Sie haben es sich ja selbst ausgesucht, nicht wahr? Und was sollte jetzt Besserung bringen? Das Wochenende – wenn Sie denn mal nicht arbeiten – ist nicht lang genug, um sich zu erholen, und die wenigen Urlaube im Jahr bieten nur kurzzeitiges Abschalten.
Ist es Burnout oder bloßer Stress?
Sie erkennen sich in vielem wieder, fragen sich aber: Ist das schon Burnout? Was ist Burnout eigentlich? Das Burnout lässt sich dreidimensional definieren: Erschöpfung, Gleichgültigkeit und ein Gefühl der Stagnation. Hinzu kommen Gefühle wie Aufregung, städniges sich überfordert Fühlen, Persönlichkeitsveränderungen, Pessimismus, Gedankenkarussell, sich nicht gut genug Fühlen, Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen, Abgeschlagenheit, fehlende Motivation, Depression oder Hilflosigkeit.
Es gilt, das Burnout von Stress zu unterscheiden. Stress ist in der Regel kurzzeitig, ein Ende ist in Sicht. Ein Burnout hingegen ist das Ergebnis von Stress, der kein Ende fand. Stress, der sich aufstaute und mit negativen Emotionen und schließlich Rückzug einherging. Während Stress zuweilen sogar kurzzeitig positive Effekte haben kann (manch einer arbeitet z.B. fokussierter, wenn die Deadline näher rückt), ist Burnout ausschließlich negativ. Es überwältigt einen und zieht einen mehr und mehr in die Erschöpfung hinein. Es ist das Resultat einer langen Zeit mit übermäßiger Arbeitsbelastung in Kombination mit als stressreich empfundenen Arbeitsbedingungen. Ein Burnout ist medizinisch weniger gut greifbar als andere Beschwerden. Es ist ein schleichender Prozess, die Symptome sind individuell verschieden und werden oft – vom Betroffenen, z.T. aber auch von den behandelnden Ärzten – als bloße Müdigkeit oder kurzzeitige Depression fehlinterpretiert oder als wenig bedeutsam angesehen. Das verschleppt die Diagnose und verschlimmert dementsprechend die Situation oft noch.
Burnout? Typisch Anwalt!?
Burnout betrifft jede Branche, insbesondere bei der aktuell um sich greifenden Tendenz zum Workoholism. Ständige Erreichbarkeit ist chic und lange Abende im Büro werden stolz erwähnt. Dass Beziehung, Gesundheit, Kinder und Freunde dabei zu kurz kommen… tja, das wird mit einem Schulterzucken hingenommen. Man kann nun mal nicht alles haben, nicht wahr? Anwälte werden dafür bezahlt, dass sie die Probleme Dritter lösen und sich deren Köpfe zerbrechen. Die Verantwortung für das Ansehen, die Kosten und das Nervenkostüm des Mandanten ist hoch. Fristen sind allgegenwärtig. Streben nach Perfektionismus ebenso.
Dem Burnout vorbeugen
Burnout schwächt auch die Firmen, die Kanzleien. Betroffene sind müde, wenig engagiert und unglücklich. Viele verlassen die Kanzleien früher und das Recruiting und Anlernen neuer Anwälte kostet viel Geld. Weitaus mehr, als es in den meisten Fällen kosten würde, den Betroffenen entsprechend freizustellen, auf Kur oder langen Urlaub zu schicken.
Glücklicherweise gibt es Möglichkeiten, einem Burnout entgegenzuwirken. Arbeitgeber sollten darauf achten, wie es ihren Mitarbeitern geht. Psychisch und physisch. Klingt einfach? Möglich, doch in welchen Kanzleien wird das de facto und mit Überzeugung getan? Neben der Aufmerksamkeit für Dritte muss jeder zunächst auf sich selbst achten und die folgenden Punkte und Maßnahmen berücksichtigen:
Grundsätzliches beachten: Ausgewogene Ernährung, Bewegung, Ruhezeiten und ausreichend Schlaf sind die Grundpfeiler der Gesundheit. Achten Sie auf Ihren Körper und auf mögliche Warnzeichen.
Grenzen kennen: Es ist wichtig, dass Sie Grenzen setzen. Überall, sei es bei der Arbeit oder im Privatleben. Insbesondere Junganwälte müssen oft noch lernen, mal “Nein” zu sagen. Setzen Sie richtige Prioritäten.
Momente zum Ausklinken: Handy ausschalten. Rechner runterfahren. Raus in die Natur mit dem Bürohund. Oder einfach nur mit den Kollegen zum Lunch gehen und mal nicht über die Arbeit reden. Können Sie das? Haben Sie noch andere Themen? Und warum nicht einfach mal den verregneten Sonntag gemütlich auf der Couch verbringen?
Größere Auszeiten: Lassen Sie mal Wochenende auch Wochenende sein. Planen Sie wenigstens zwei Reisen pro Jahr. Neue Kulturen, wo Sie vielleicht sogar die Sprache nicht verstehen, sorgen für noch mehr Abstand als ein Strandurlaub auf Mallorca.
Flexibles Arbeiten: Denken Sie doch mal über Homeoffice nach. Oder Teilzeit. Oder beides.
Atmosphäre: Die Atmosphäre im Büro können Sie nur begrenzt beeinflussen. Und darüber, wer Ihr Chef ist, haben Sie kein Mitspracherecht. Was Sie tun können: Achten Sie beim Neubeginn in einer Firma, in wessen Hände Sie sich begeben. Etwas Recherche bei Google kann Interessantes zutage fördern. Und wenn Sie sich in Ihrer jetzigen Situation in der Firma sehr unwohl fühlen und eine Besserung nicht in Sicht ist, dann sollten Sie über einen Wechsel nachdenken. Ernsthaft. Das Leben ist zu kurz für schlechte Chefs. Und für Burnout.
Machen Sie sich selbst zum Mittelpunkt: Haben Sie eigentlich Hobbies? Treiben Sie Sport? Wann war Ihre letzte Massage?
Und schließlich: Reflexion. Gehen Sie regelmäßig mal an einen Ort der Ruhe. Stille. Fühlen Sie in sich hinein. Wie geht es Ihnen? Was beschwert Sie? Versuchen Sie, es aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Ärgert Sie jemand? Dann versetzen Sie sich mal in seine Lage. Vielleicht hilft das bereits, besser zu verstehen. Oder zu verzeihen. Gehen Sie bewusster durch’s Leben.
Alles Gute!