Gender-Equalty: Ein Thema in der Welt der Juristen?
- Anwaltsnews
Der Gehaltsunterschied zwischen Frauen und Männern ist ein großes Thema. Wie schneiden Anwältinnen im Vergleich mit ihren Kollegen ab?
Große Kanzleien betonen: Selbst schuld
Der Unterschied im Durchschnitt der Gehälter zwischen Frauen und Männern besteht laut großen Kanzleien vor allem durch die Entscheidungen der Frauen. Wie weit ein Kandidat im Unternehmen aufsteigt, hinge immerhin davon ab, wie viele Mandanten er oder sie einbringt und wie viel Geld die Kanzlei dadurch macht – ohne den geringsten Blick aufs Geschlecht der Person. Ein weiterer Punkt ist die unterschiedliche Arbeitszeit von Männern und Frauen – Frauen neigen eher dazu, sich für eine Schwangerschaft und die dann folgende Zeit eine Auszeit vom Job zu nehmen, als Männer. Ein weiteres Argument ist der fehlende Ehrgeiz von Frauen: Sie stecken einfach nicht die gleiche Energie in Gespräche, arbeiten nicht so hart an Abschlüssen und treten nicht selbstsicher genug auf.
Was die Kanzleien damit eingestehen: Der Unterschied zwischen Frauen und Männern besteht und wird wahrgenommen – die Verantwortung dafür liegt nur bei den weiblichen Angestellten und niemandem sonst.
Studien widerlegen diese Thesen
Diese „Selbst Schuld“-Mentalität trifft auf einige Gegenargumente. So könnten Frauen und Männer sich die Elternzeit noch so gleichmäßig aufteilen, abgesehen vom Arbeitszeitverlust durch die Schwangerschaft, die sich noch nicht auf Väter übertragen lässt, profitieren Männer während Frauen verlieren: Väter werden als verantwortungsbewusster und vertrauenswürdiger, Mütter als weniger engagiert wahrgenommen.
Auch wenn es um die Zahl der eingebrachten Kontakte und die Aufstiegschancen von Singles geht, sind die Daten schwer zu vergleichen. Einerseits zeigen Studien, dass Frauen – auch wenn Sie sich identisch zu ihren männlichen Counterparts verhalten – schlicht auf anderes Feedback treffen.
Andererseits fließen Faktoren wie „Ehrgeiz“ unterschiedlich ein: Schon kleine Mädchen werden für bestimmendes Verhalten gegenüber Gleichaltrigen eher getadelt, während Jungen als Führungspersönlichkeiten wahrgenommen werden. Sprache ist dabei ein wichtiger Faktor: Eine Frau kann zickig sein oder biestig, während diese Worte selten für Männer gewählt werden.
Diese immer leicht andere Behandlung wird von vielen Vertretern der „Selbst Schuld“-Theorie als ein winzig kleines Problem betrachtet, das ein starker Erwachsener schlicht ignorieren können muss. Dabei ignorieren Sie gekonnt auch die Idee, dass selbst winzige Nachteile für Frauen nun einmal Nachteile bedeuten. Wer jeden Tag etwas mehr Energie darein stecken muss, den gleichen positiven Eindruck zu machen, wie ein anderer ohne diese Mühe, hat weniger Energie für zusätzlichen Einsatz übrig.
Unternehmen können Konzepte zur Erleichterung durchsetzen
Unternehmen und Kanzleien können natürlich nicht alleine dafür verantwortlich gemacht werden, dass gesellschaftliche Konzepte Probleme für Frauen am Arbeitsplatz bedeuten. Sie haben die freie Wahl, sich nicht um das Ungleichgewicht zu kümmern und weiterhin auf zusätzliche Leistung durch ihre weiblichen Angestellten zu verzichten – für einige Kanzleien scheint das bei einem Überschuss an Juristen die luxuriöse Möglichkeit.
Es gibt aber auch Unternehmen, die versuchen, unsichtbare Ungleichgewichte anzugehen – unabhängig davon, ob alle Faktoren, die einfließen, schon verstanden wurden. Beispielsweise gibt es in einigen Unternehmen die Möglichkeit, die „höhere Laufbahn“-Karriere risikolos auszuprobieren. Wer nach einigen Monaten merkt, dass er der Zusatzbelastung nicht gewachsen ist, kann zurück auf die frühere Stufe und erlebt keinen Nachteil im weiteren Verlauf seiner Karriere. Das reduziert die Hemmschwelle für Kandidaten und Kandidatinnen, die sich aus irgendwelchen Gründen die Arbeit nicht zutrauen.
Kanzleien haben die Wahl, ähnliche Ansätze zu testen, um zu sehen, ob ein Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen nur Folge eines statistischen Zufalls ist, oder vielleicht an andere Faktoren gebunden ist.