Einsatzmöglichkeiten für Diplom-Juristen
- Kanzleigründung
In weiten Teilen der Bevölkerung herrscht Unkenntnis über die Einzelheiten der juristischen Ausbildung. Dies zeigt sich an den erstaunten Blicken, die man erntet, wenn man anmerkt, nur das Erste Staatsexamen zu besitzen. “Was? Oh, warum hast Du denn Dein Studium nicht beendet?” Viele Laien gehen zum Beispiel auch davon aus, man sei direktemang Rechtsanwalt, sobald man das Studium absolviert habe. Eine treffende fachliche Einordnung und hinreichende Differenzierung zwischen Erstem Staatsexamen, Referendariat und Zweitem Staatsexamen wird in der Regel nicht vorgenommen.
Die Unkenntnis der Personaler
Im Bereich Human Resources und bei jenen Personalern, die die Texte für die Stellenanzeigen zu verantworten haben, scheint es jedoch auch oft wenig Kenntnis über den Ausbildungsgang von Juristen zu geben. Dies führt zu skurrilen Stellenanzeigen, in denen nach “Volljuristen mit abgeschlossenem Studium” gefragt wird. Meist werden auch per se Volljuristen gesucht, sobald eine Stelle mit einem Juristen zu besetzen ist. Selbst wenn es für eine Position im Bereich der Programmplanung oder des Lektorats eines juristischen Verlages ist, für das man definitiv nicht das Zweite Staatsexamen (die Befähigung zum Richteramt) benötigt, wird es als must have vorausgesetzt. Die Alternative “Erstes Staatsexamen + einschlägige Berufserfahrung”, die für derartige Stellen vermutlich weitaus wertvoller wäre, wird mit keiner Silbe erwähnt.
Ein Rohdiamant wartet auf den letzten Schliff
An dieser Stelle wird aber ganz viel Potential nicht genutzt. Kanzleien und Unternehmen beginnen hierzulande erst langsam zu erkennen, welche Vorteile ein Kandidat mit Erstem Staatsexamen mitbringt. Er hat in der Regel
- eine solide Ausbildung genossen,
- gelernt Sachverhalte juristisch einzuordnen,
- andere Gehaltsvorstellungen als ein Volljurist,
- einschlägige oder ergänzende Berufserfahrung.
Es sind im juristischen Bereich enorm viele Tätigkeitsfelder für Diplom-Juristen vorhanden. Dies setzt allerdings voraus, dass insbesondere Kanzleien beginnen die starre Zweiteilung “Anwälte / Sekretariat” aufzubrechen und neue Positionen – quasi einen soliden Mittelbau – zu schaffen. Verständlicherweise sind das Ideen, die – auch und gerade in finanzieller Hinsicht – eher auf Kanzleien mit mehreren Berufsträgern passen. Kleinere Büros setzen vielfach noch auf die in der Regel unbezahlten Referendare als günstige Aushilfe. Doch Referendare kommen und gehen, haben ihren Kopf noch voll mit Gedanken an die nächste Klausur, die folgende Station oder das Examen. Der Diplom-Jurist jedoch, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter eingestellt wird, bleibt. Er ist ein Rohdiamant, den sich der Anwalt durch solide Einarbeitung und Fortentwicklung des Wissens zu einem versierten Zuarbeiter heranziehen kann.
Einsatzmöglichkeiten im Mittelbau
Der Diplom-Jurist ist zwar selbst kein Anwalt, bringt aber auch wiederum ganz andere Voraussetzungen als das Sekretariats-Team mit und ist aufgrund seiner Ausbildung daher bestens für “gehobene Sachbearbeitung” geeignet. Juristische Tätigkeiten etwa, welche die Rechtsanwaltsfachangestellten mangels Studiums fachlich nicht leisten können, für die jedoch die Zeit des Anwalts zu kostbar ist. Oder aber eben auch Recherche, das Ausfüllen von Anträgen oder Korrespondenz. Einsatzmöglichkeiten gibt es viele, wie etwa
- juristische Recherche,
- Entwurf von Schriftsätzen,
- Markenverwaltung,
- Korrespondenz mit Versicherern (z.B. im Verkehrsrecht oder Transportrecht),
- Antragstellung und Korrespondenz mit Behörden oder anderen Institutionen (z.B. mit der Kassenärztlichen Vereinigung im Medizinrecht),
- Mahn- und Vollstreckungswesen,
- Unterstützung bei Vorträgen oder Veröffentlichungen der Anwälte,
- Pflege des Internetauftritts oder des Blogs der Kanzlei, Schreiben von Artikeln,
- Übernahme von Sekretariatsarbeiten (z.B. bei Urlaub oder Krankheit),
- Ansprechpartner für Mandanten bei Urlaub oder krankheitsbedingter Abwesenheit des Anwalts.
Paralegals
In vielen, insbesondere englischsprachigen Ländern haben die Kanzleien diese akademisch vorgebildeten, juristischen Sachbearbeiter bereits seit langem für sich entdeckt. Sie heißen paralegals.
Ein Modell, was Schule machen sollte, ist der PARAlegal e.V. der Universität Jena. Bei diesem Projekt helfen Jurastudenten Menschen, die sich keinen Anwalt leisten können, bei der Bewältigung von einfacheren juristischen Problemen. Die Idee stammt aus den USA, wo die sog. Legal Clinics bereits seit Jahrzehnten von den Universitäten aktiv gefördert werden. Oftmals ist bereits die Auseinandersetzung mit umfangreichen Formularen für bedürftige Menschen eine Herausforderung. Hier können die Studenten mit ihrem soliden juristischen Grundwissen eine große Hilfe sein. Unterstützt und beaufsichtigt werden sie bei dieser unentgeltlichen Tätigkeit von Volljuristen, was wiederum eine Kollision mit den Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetzes verhindert.
Lassen Sie sich helfen!
Haben Sie in Ihrer Kanzlei noch die strikte Trennung von Anwalt und Sekretariat? Wächst Ihnen die Arbeit über den Kopf, einen Anwalt zur Anstellung zu finden fällt aber schwer oder ist Ihnen zu kostenintensiv? Dann spielen Sie doch gedanklich mal die Variante durch, wie es wäre, wenn Sie einen gut eingearbeiteten juristischen Sachbearbeiter bzw. einen wissenschaftlichen Mitarbeiter hätten. Möglicherweise, nein: mit Sicherheit, könnten Sie viel mehr Aufgaben delegieren, als Ihnen ad hoc in den Sinn kommen. Und Sie hätten dann mehr Zeit, sich den wirklich wesentlichen Aufgaben zu widmen.