“Billig, billig” kann teuer werden
- Anwaltsnews
Nach all den Jahren mit Studium, harten Examina und zähem Referendariat wird es nach dem Zweiten Staatsexamen endlich Zeit, Geld zu verdienen (und den Eltern endlich mal nicht mehr auf der Tasche zu liegen). Und teilweise wird auch gutes Geld verdient, und zwar direkt nach dem Examen.
Es ist kein Geheimnis: Einsteiger in Großkanzleien verdienen viel Geld. Sie bekommen fette Gehaltsschecks und hohe Bonuszahlungen. Viele Menschen außerhalb dieser Sphäre denken, dass diese Gehälter unter Juristen eher die Regel als die Ausnahme seien. Wir wissen aber, dass nur wenige Anwälte tatsächlich in den Genuss derart hoher Gehälter kommen. Es ist auch so, dass die Voraussetzungen für astronomische Einstiegssummen nicht gerade leicht zu erfüllen sind. Mindestens zwei Prädikatsexamina, möglichst promoviert, blutjung und mit längerer Auslandserfahrung ausgestattet – das sind die Vorgaben, welche die eierlegenden Wollmilchsäue mitbringen sollten, um in die engere Wahl zu kommen. Das erfüllen allerdings überhaupt nur ein paar hundert Kandidaten deutschlandweit.
Viele Berufseinsteiger verdienen verhältnismäßig wenig Geld, zumindest in den Anfängen ihrer Karriere. Dafür, dass Junganwälte eher schlecht bezahlt werden, gibt es sicher Gründe, doch kann das auch nach hinten losgehen und für eine Kanzlei teurer werden, als hätte sie monatlich mehr gezahlt.
Teure Fluktuation
Ein Bekannter von mir wechselte die Kanzlei und bekam im neuen Job 40.000 EUR weniger als vorher. In der neuen Kanzlei herrschte aufgrund der Gehaltsstruktur eine recht hohe Fluktuation und die Junganwälte blieben meist nur 1-2 Jahre, bevor sie sich eine lukrativere Stelle suchten. Mein Bekannter blieb dort fast 4 Jahre, weil er die bodenständigere Arbeitsweise liebte und ein paar Mandate selbst akquiriert hatte. Nichtsdestotrotz war es ein Kommen und Gehen in diesem Büro, was für eine ständig vorhandene latente Unruhe sorgte, weil immer irgendjemand kurz vor’m Gehen und irgendeiner immer frisch in der Einarbeitung war.
Die Fluktuation brachte noch weitere Nachteile mit sich. Die ständig erfolgende Einweisung neuer Kollegen kostete Zeit und manchmal auch Nerven. Ein neuer Mitarbeiter braucht lange, bis er einen angestammten ersetzt, insofern bleibt Arbeit liegen bzw. muss umverteilt werden. Darüber hinaus machen Neue noch oft Fehler oder stellen viele Fragen. Neben den rechtlichen Inhalten und Prozessen müssen sie ja auch die übrigen Abläufe der Kanzlei (Sekretariat, Abrechnung, Mandantenkommunikation etc.) kennenlernen. Das ist ganz normal und völlig legitim, kostet die Kanzlei jedoch de facto Geld. Auch Fehler wieder auszubügeln, ist teilweise aufwändig, insbesondere wenn es sich z.B. um versäumte Fristen handelt. Wenn die Neuen Akten der Alten übernehmen, die nicht ganz einfach sind, tendieren manche dazu, diese womöglich eher oberflächlich zu bearbeiten oder sich darauf auszuruhen, dass ihr Mentor schon die Kohlen aus dem Feuer holen wird. Sie berufen sich dann quasi auf ihren “Welpenstatus”. Würden sie auch so handeln, wenn man sie fürstlich entlohnen würde?
Viel bringt viel
Gesetzt den Fall, ein neuer Anwalt wird sehr gut bezahlt, dann wird er einerseits gut ausgebildet sein, weil man mit gutem Geld eben auch gute Leute bekommt. Andererseits wird das Gehalt dann kein Grund für ihn sein, die Kanzlei nach wenigen Monaten wieder zu verlassen. Und wer länger irgendwo zu bleiben plant, wird sich natürlich auch mehr anstrengen. Sie sehen: Mit vernünftigem Gehalt schlagen Sie zwei Fliegen mit einer Klappe. Es wird weniger Fluktuation geben, man kann fittere Leute bezahlen und dementsprechend werden sowohl die Einarbeitung als auch die Fehlerquote ganz anders ausfallen als bei unterbezahlten, wenig motivierten Neulingen.
Pay peanuts, get monkeys
Unmotivierte Mitarbeiter haben weder Lust, zu Networking-Events o.ä. zu gehen, noch werden sie helfen, neue Mandate zu generieren. Der Job junger Anwälte ist zuweilen wirklich stressig. Sie haben in der Regel zwei Chefs: den Partner und den Mandanten. Wenn die Arbeit der Junganwälten unterdurchschnittlich ist, kann sich das also auch negativ auf die Mandantenkontakte auswirken. Für die Mandanten ist es suboptimal, wenn sie einen Anwalt hatten, der sich in ihr Thema eingearbeitet hatte, dieser dann geht und sie sich – womöglich mehrmals – auf wechselnde Anwälte einstellen müssen. Am Ende wirkt es nach außen auch einfach wenig vertrauenerweckend, wenn in einer Firma eine hohe Fluktuation ist, weil es nun einmal nicht von ungefähr kommt, dass Mitarbeiter kommen und gehen. Mandanten rätseln dann, wo wohl der Hase im Pfeffer liegt, und hoffen, dass ihr Mandat nicht betroffen ist. Hinzu kommt, dass eine Großkanzlei letztlich auch ein wenig von dem älteren, erfahrenen „Überbau” lebt. Nicht nur finanziell, sondern auch erfahrungstechnisch liegt da ein großer Schatz vor. In Fällen von hoher Fluktuation kommt es nicht nur dazu, dass keine Jungen für den Überbau nachwachsen, sondern er dünnt womöglich auch deshalb aus, weil selbst einige der Älteren nochmal den Laden wechseln.
Letztlich kann man zwar teilweise verstehen, warum manche Firmen ihre jungen, unerfahrenen Mitarbeiter eher schlecht bezahlen. Es wird jedoch klar, dass sich bessere Entlohnung unter’m Strich womöglich doch eher bezahlt macht (insbesondere langfristig gesehen) und man nicht am falschen Ende sparen sollte.
Übrigens, ob man’s glaubt oder nicht: Es herrschen teils eklatante Unterschiede zwischen den Geschlechtern hinsichtlich der Bezahlung ähnlich gelagerter Positionen in Kanzleien. Hierzu gibt es auch hin und wieder Prozesse.
Geld ist nicht alles
Unbedingt zu berücksichtigen ist, dass man als Kanzlei – um im Kampf um die guten Leute konkurrenzfähig zu bleiben – nicht nur ein solides (Einstiegs-)Gehalt zahlen, sondern auch auf anderen Gebieten ein Top-Arbeitgeber sein sollte. Die Chefs mit Personalverantwortung sollten nicht bloß fachlich, sondern möglichst auch charakterlich (sprich: menschlich) brillant sein. Work-Life-Balance ist nichts, was nur mit der Kneifzange angefasst wird, sondern Personalverantwortliche sollten sich damit auch mal ernsthaft auseinandersetzen. Wie ist die Atmosphäre in der Kanzlei? Wie ist die Stimmung zwischen den Mitarbeitern? Welche zusätzlichen Anreize werden Neulingen geboten, die über ein gutes Gehalt hinausgehen? Schon in der Formulierung der Stellenanzeige geht es los: Wer hohe Ansprüche für den Einstieg stellt, sollte sich darauf einstellen, dass auch der Bewerber hohe Ansprüche an den potentiellen Arbeitgeber stellt. Und dass er vergleicht! Also bieten Sie bereits in der Stellenanzeige mehr als „ein interessantes Aufgabengebiet”, “kollegiale Atmosphäre” oder “gute Verkehrsanbindung”, sonst ermüden Sie vielversprechende Kandidaten bereits bei der Lektüre Ihrer Anzeige. Es ist nicht so schwer, sich abzuheben. Denken Sie mal an so etwas wie Kinderbetreuung, Homeoffice, Teilzeitmöglichkeit, gemeinsame Reisen oder ähnliches. Besonderes muss nicht teuer sein.
Denken Sie mal drüber nach!